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Was passiert dann bei einem Notfall? Via Funkmeldeempfänger wird die 25köpfige ehrenamtliche Einheit der Rettungsdienstlichen Ergänzungsgruppe (UG-Rett) des BRK Kreisverbandes Landshut alarmiert.
Die UG-Rett gibt es, damit ein Notruf auch dann bedient wird, wenn der hauptamtliche Rettungsdienst nicht innerhalb von 12 Minuten vor Ort sein kann. Teamchef Stefan Haas, im Alltag als Rechtsanwalt tätig, leitet die Truppe seit 2006. Alle Mitglieder tragen ihren Pager 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche. Im Falle eines Engpasses werden sie von der Integrierten Leitstelle (112) alarmiert und rücken aus. Dies waren 2020 beachtliche 58 Einsätze. Dabei wurden bis zu drei Rettungswagen pro Alarmierung besetzt. Alle Mitglieder haben eine umfangreiche Ausbildung beim Bayerischen Roten Kreuz absolviert, verrichten diese Aufgabe ehrenamtlich, haben etliche Jahre Rettungsdiensterfahrung und schon einiges erlebt.
Jakob Strasser ist 23 Jahre alt und Verwaltungsinspektoranwärter bei der Stadt Landshut. „Mir gefällt die Arbeit bei der Unterstützungsgruppe beim BRK, weil ich anderen Menschen helfen kann. Egal ob Unfall, Erkrankung oder Hilflosigkeit. Das Spannende an der Tätigkeit ist, dass man nicht weiß, ob, wann und was passiert, auch wenn man schon auf der Anfahrt ist. Diese Herausforderung, aus jeder Situation das Beste herauszuholen macht den besonderen Reiz an dieser ehrenamtlichen Tätigkeit.“
An einen Einsatz denkt er besonders gerne zurück. „Eigentlich war es nichts außergewöhnliches“ so der 23jährige. Der Meldeempfänger löste früh um drei Uhr aus. Eine ältere Dame sei gestürzt und habe den Hausnotruf Knopf gedrückt. Dort angekommen stellte sich heraus, dass sie nach dem Sturz allein nicht mehr aufstehen konnte. Schnell wurde geholfen und das Team wollte sich verabschieden. Doch so schnell ließ die Dame sie nicht gehen. „Als Dankeschön bekamen wir eine Tafel Schokolade“ lächelt Strasser. Diese Dankbarkeit der Menschen trage ihn durch den Alltag.
Nicolas Dietz ist 21 Jahre alt und studiert Biomedizinische Technik. Das beste an der Rettungsdienstlichen Ergänzungsgruppe sei für ihn der Zusammenhalt. „Egal wann der Piepser geht, man weiß, dass man nicht allein am Kreisverband steht und dass nur kompetente Leute kommen, mit denen man sich blind versteht. Es ist einfach ein schönes Gefühl, in so einer Truppe sein zu dürfen.“
Auch er erinnert sich gerne an einen ganz besonderen Einsatz. Die Meldung lautete Arbeitsunfall – Kreissägenverletzung der Hand – Fingeramputation. Vorgefunden hatte man einen sehr aufgeregten jungen Mann. Während das Team ihn versorgte, erzählte der Verletzte, dass er den Ringfinger der rechten Hand noch dringend benötige, wolle er doch in Kürze heiraten. Nach der Versorgung der Hand und des Amputats wurde er mit dem Rettungshubschrauber und einer Handchirurgin in eine Spezialklinik geflogen. „Das ist normal die letzte Information, die wir zu unseren Patienten haben“ so Dietz. Doch in diesem Fall sollte es anders sein. Ein paar Monate später bekam der Sanitäter einen Brief. Sein Patient, inzwischen verheiratet, hatte die Adresse seines Helfers in Erfahrung gebracht. Eine Operation sei noch in der gleichen Nacht erfolgt und er habe keine bleibenden Schäden davongetragen. Der Ehering habe noch super über den verletzten Finger gepasst.
„Man versorgt jemanden, liefert ihn im Krankenhaus ab und oft fragt man sich später, was wohl aus dem Patienten geworden ist“ erzählt der Student. „Deshalb ist es besonders schön, wenn man solch eine Rückmeldung erhält.“
Tamara Gorris ist 27 Jahre alt. Die Polizeiangestellte im Innendienst schätzt die Mischung aus strukturiertem Büroalltag und Rettungsdienst. In letzterem müsse man flexibel sein, sich auf unvorhersehbare Situationen einlassen können, egal ob Schnittverletzung, Herzinfarkt oder Verkehrsunfall. Nie könne man planen, wann der Pager auslöse und was man am Einsatzort vorfindet. Jeder Einsatz sei einzigartig.
Ihren Mitmenschen in Ausnahmesituationen zu helfen und deren Dankbarkeit zu spüren, sei einfach nur schön, so Gorris. Auch der starke Zusammenhalt der Kollegen der UG-Rett sei nicht selbstverständlich. “Man kann sich aufeinander verlassen. Dies ist nicht zuletzt der Verdienst von Stefan Haas, der uns auch privat mit Rat und Tat zur Seite steht.“
Josef Luginger, 34 Jahre alt, ist im echten Leben KFZ-Mechaniker, verheiratet und Vater zweier Kinder. Er leiste die Arbeit bei der UG-Rett aus Überzeugung, wolle Menschen helfen und mit gutem Beispiel voran gehen.
Er denke noch oft an seinen ersten Einsatz. „Gerufen wurden wir zu einem Betriebsunfall“ so Luginger. Der Patient musste in sehr beengten Verhältnissen versorgt werden, während die Feuerwehr daran arbeitete, den Eingeklemmten zu befreien. Der Mann hatte multiple Verletzungen, war in einem kritischen Zustand und musste intubiert werden. „Da merkt man erst, wie wichtig es ist, in einem so eingespielten Team zu arbeiten. Jeder weiß, wo er hinlangen muss, jeder Handgriff wie aus dem Lehrbuch“ schwärmt der 34-Jährige von seiner Gruppe.
Dass er Mitglied des Teams geworden sei, bereue er nicht, auch wenn der Pager gerade dann einmal auslöst, wenn er seinen Sohn zu Bett bringt. „Papa Sanka fahren“ erklärt der Nachwuchs sofort. Die Gute Nacht Geschichte darf dann beim nächsten Mal erzählt werden.