Helfen in seelischer Not: Ein Kurs zur psychischen Ersten Hilfe
Ein Notfall ist nicht immer sichtbar. Seelische Krisen können Menschen jeder Altersgruppe und jeden Hintergrunds treffen – oft bleiben sie für Außenstehende unsichtbar.
Umso wichtiger ist es, auf Anzeichen zu achten und im Ernstfall schnell und kompetent zu handeln. In einem speziellen Kurs lernen Teilnehmer*innen, wie sie Menschen in seelischer Not beistehen können. Der „HSN-Kurs“ (Hinschauen – Sprechen – Netzwerken) vermittelt eine Handlungskette, die erste Schritte im Umgang mit psychischen Notfällen aufzeigt.
Eine ruhige Atmosphäre im Schulungsraum
Im Schulungsraum des BRK-Servicebüros auf der Mühleninsel herrscht an diesem Tag eine angenehme, entspannte Stimmung. Die Referentin Isabelle Rausch beginnt mit sanfter, fester Stimme und zieht sofort die Sympathie aller Teilnehmer*innen auf sich. Es sind Menschen unterschiedlichen Alters und Berufs, die den Weg hierher gefunden haben – sie alle eint das Interesse, in Krisensituationen helfen zu können.
Das Schulungskonzept wurde von einem Team aus Psycholog*innen, Psychotherapeut*innen und Sozialarbeiter*innen der Uniklinik Regensburg entwickelt und wird kontinuierlich weiter verbessert. Ihr Ziel: Menschen in seelischen Notlagen zu unterstützen und ihnen zu helfen, ihr inneres Gleichgewicht wiederzufinden. „Oft fühlen sich Betroffene allein oder überfordert“, erklärt Rausch. „Eine sichere Atmosphäre, ein offenes Gespräch und das Reduzieren von Stressfaktoren können helfen, das innere Gleichgewicht wiederherzustellen.“
Praxisorientierte Übungen
Im Kurs werden nicht nur theoretische Inhalte vermittelt. Um das Thema greifbar zu machen, legt Isabelle Rausch drei Zettel mit den Aufschriften „niedrig“, „hoch“ und „sehr hoch“ auf den Boden. Anschließend liest sie verschiedene Beispiele vor: Ein Kind, das auf einem Volksfest seine Eltern verloren hat, ein gestresster Nachbar, der sagt: „Wenn das so weitergeht, gebe ich mir die Kugel“, und eine ängstlich wirkende Kollegin. Die Teilnehmer*innen sollen sich nach jedem vorgelesenen Beispiel neben einem der Zettel platzieren, um die seelische Not der betroffenen Personen einzuschätzen. Schnell wird deutlich: Jede*r nimmt seelisches Leid individuell wahr und bewertet Situationen unterschiedlich.
Die praxisnahe Herangehensweise zieht sich durch den gesamten Kurs. Zwei Teilnehmerinnen spielen eine reale Krisensituation nach: Eine Person ist verzweifelt, die andere weiß nicht, wie sie helfen kann. „Wie in der körperlichen Ersten Hilfe“, betont Rausch, „geht es auch hier darum, Ruhe zu bewahren, die Lage zu überblicken und sich selbst nicht zu gefährden.“
Ein niedrigschwelliges Hilfsangebot
Das HSN-Projekt hat sich das Ziel gesetzt, psychische Erste Hilfe genauso zugänglich zu machen wie die Erste-Hilfe-Kurse für körperliche Verletzungen. Einfache Maßnahmen können bereits entscheidend sein, betont Rausch: „Das Wichtigste ist, hinzuschauen, zu sprechen und zu vernetzen.“ Die Teilnehmenden sollen lernen, erste Anzeichen einer seelischen Krise zu erkennen, ins Gespräch zu kommen und gegebenenfalls professionelle Hilfe zu rufen.
Brigitte Laumann vom BRK-Servicebüro Landshut hat den heutigen Kurs organisiert und ist vom Konzept begeistert: „Ich war wirklich angetan von den Inhalten, die die Schulung vermittelt. Der Gedanke, einen HSN-Kurs hier in Landshut zu organisieren, ließ mich nicht los. Ich freue mich sehr, dass wir heute diesen Kurs anbieten können und dass die Resonanz so groß ist. Wir sind ausgebucht. Das wird sicher nicht die letzte Veranstaltung dieser Art sein, die wir bei uns im BRK-Servicebüro anbieten.“
Engagement aus Überzeugung
Isabelle Rausch führt die Kurse freiberuflich durch und engagiert sich seit einem Jahr für das Projekt. „Mich motiviert es, wenn ich Menschen für das Thema seelische Not sensibilisieren kann“, erzählt sie. Oft sind psychische Krisen noch ein Tabuthema, besonders in Unternehmen. Doch genau dort setzt Rausch an. „Wir bieten die Kurse auch für Unternehmen an. Viele haben hier zum ersten Mal Berührung mit dem Thema. Es ist schön, zu sehen, dass ich durch meine Arbeit einen Beitrag leisten kann, seelische Krankheiten zu enttabuisieren.“
Die Teilnehmer*innen des heutigen Kurses verlassen das BRK-Servicebüro mit dem Wissen, dass sie in Zukunft sicherer im Umgang mit seelischen Notfällen sein werden. Neben theoretischen Ansätzen haben sie konkrete Werkzeuge an die Hand bekommen. Am Ende des Kurses visualisiert Rausch die wichtigsten Inhalte mit vier Symbolen: einer Lupe (genau hinschauen), einer Warnweste (sich selbst schützen), einem Ohr (zuhören) und einem Handy (Hilfe holen).
Mit diesen Werkzeugen sind die Teilnehmer*innen nicht nur besser darauf vorbereitet, in Notsituationen zu handeln, sondern auch, selbstbewusst und sicher Menschen in seelischen Krisen zu unterstützen. Weitere Kurse werden folgen – die Nachfrage ist groß, und das Thema aktueller denn je.
Wichtige Rufnummern
Zum Schluss gibt die Referentin den Teilnehmerinnen noch wichtige Rufnummern für seelische Notsituationen an die Hand. Denn nicht nur die 112 sollte jede Person kennen – die Nummer des bayernweiten Krisendiensts sollte auch in vielen Handys eingespeichert sein: 0800 655 3000.
Mehr Infos zu den HSN-Kursen gibt es hier.